Verein Rotes Höhenvieh alter Zuchtrichtung e. V.

Zuchtgeschichte & Bestandsentwicklung

Zuchtgeschichte des Roten Höhenviehs

Das Rote Höhenvieh ist eine der urtümlichsten Rinderrassen Europas und wird wegen seiner langen Präsenz in den deutschen Mittelgebirgen, auch als Keltenrind bezeichnet. Auf historischen Krippendarstellungen des vergangenen Jahrtausends sind in Malerei und Plastik schon der heutige Typ dieser Urrasse deutlich zu erkennen.

Entstehung der Rassemerkmale

Einer früheren Zuordnung von Rinderrassen entsprechend, wurde das Rote Höhenvieh als „Naturrasse“ klassifiziert; das bedeutet, dass nicht nur menschliche Selektion sondern auch die Umweltbedingungen maßgeblich zur Entstehung der Rasse beigetragen und die Entwicklung des Keltenrindes bestimmt haben.
Beides, Umwelteinflüsse und menschliche Selektion, haben bewirkt, dass sich in den Ausgangspopulationen positive Eigenschaften, wie gute Umgangsformen, Zutraulichkeit, gute Futterverwertung, Leichtkalbigkeit und hervorragendes Mutterkuhverhalten herausgebildet haben und diese Rasse bis in unsere Zeit ausmachen.

Insbesondere in den Höhenlagen, wurde das Rote Höhenvieh noch länger als Dreinutzungsrasse gehalten. Hier waren die Bedingungen für den Ackerbau schlechter als in den Niederungen oder den Börde-Regionen. So konnten es sich nur leistungsstarke Betriebe in den landwirtschaftlichen Gunst-Regionen leisten, Pferde für die Feldarbeit zu nutzen und sie entsprechend leistungsgerecht (Getreidefutter) zu versorgen. In den Mittelgebirgen konnte das Rote Höhenvieh auch mit magerer Futtergrundlage (wie es dort üblich war) entsprechende Leistung erbringen, wie sie für die Ernährung einer Familie notwendig gewesen ist. Ackerbau für die Futterversorgung der Tiere war hier undenkbar. Die Ackerflächen wurden für die Produktion von menschlichen Lebensmitteln benötigt.

So entstanden in den unterschiedlichen Mittelgebirgen verschiedene Schläge des Rotviehs:

  • Rhönvieh
  • Bayrisches Rotvieh
  • Harzer Rotvieh
  • Odenwälder Rotvieh
  • Schlesisches Rotvieh
  • Sechsämtervieh
  • Taunusschlag
  • Vogelsberger Rind
  • Vogtländer Rotvieh
  • Waldecker Rind
  • Wittgensteiner Rotvieh
  • Westerwälder Rotvieh

Sie alle vereint vermutlich ein gemeinsamer genetischer Vorfahr: das Keltenrind. Eine Studie des Bundesagrarministeriums über „Molekulargenetische Differenzierung verschiedener Rotviehpopulationen“ kam 1999 zu diesem Ergebnis. 

Nutzung damals und heute

Das Rote Höhenvieh eignet sich wegen der ursprünglichen Verwendung als Dreinutzungsrind mit ausgeprägter Milchkomponente in besonderer Weise als Robust- und Mutterkuhrasse, weil die vergleichsweise gute Milchleistung eine progressive Gewichtszunahme bei den Kälbern ermöglicht, ohne dass eine zusätzliche Versorgung mit Kraftfutter nötig wäre. Weiterhin wird diese Rinderrasse geschätzt, weil sie auf sensiblen Flächen auffallend geringe Trittschäden verursacht.

Verdrängung der Rasse

In den 1950er/1960er Jahren wurde das Rote Höhenvieh durch andere Rinderrassen verdrängt, die eine höhere Milchleistung brachten, oder auch durch Fleischrassen aus dem benachbarten Ausland, die bei intensiver Mast schnell höhere Gewichtszunahmen zeigten. Durch die Technisierung in der Landwirtschaft war zudem der Nutzungsschwerpunkt des Roten Höhenviehs als Arbeitsrind nicht mehr gefragt. An Stelle von Tieren zogen nun Traktoren Geräte und Wägen über Feld und Flur.

Ende der 1970er Jahre gab es – auch wegen der Benachteiligungen der Betriebe, die weiterhin Rotes Höhenvieh halten und züchten wollten – nur noch wenige Kühe in den Mittelgebirgsregionen, die überhaupt noch Genetik des Roten Höhenviehs enthielten. Reinrassige Zuchtbullen gab es nicht mehr. Damit war die Rasse quasi ausgestorben.

Rettung der Rasse

Schließlich war es eine kleine Gruppe von Idealisten, die im Erhalt der Rasse gleichzeitig den Erhalt eines Jahrtausend alten Kulturgutes sahen und sofort Initiative ergriffen, als im Jahr 1982 zufällig ca. 60 tiefgekühlte Spermaportionen eines anerkannten Vogelsberger Rotvieh-Zuchtbullen (Uwe R 12, geboren 1963) in Gießen entdeckt wurden. Seither gelang es dieser Interessengruppe, durch Anpaarung mit den letzten noch lebenden Kühen mit erheblichem finanziellem und logistischem Aufwand, die Rasse auf der Grundlage der erhaltenen Genetik wieder zu beleben und erneut eine Zuchtbasis zu schaffen.

Heute wird das Rote Höhenvieh auf der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH) mit „gefährdet“ (Kategorie ll) geführt. Von der „Zentrale Dokumentation Tiergenetischer Ressourcen in Deutschland“ der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung wird das Rote Höhenvieh als „Beobachtungspopulation“ gelistet.

Der Verein

Es ist Sinn und Absicht unseres Vereins, die Erhaltungszucht des Roten Höhenviehs unter Berücksichtigung hoher Blutanteile der Ursprungspopulation voranzutreiben und die Rasse in Typ und Leistung züchterisch zu erhalten und weiter zu entwickeln.

Die guten Eigenschaften einer solchen Landrasse (hohe Fruchtbarkeit, leichte Geburten, gute Futterverwertung, gute Konstitution, Umgänglichkeit, Langlebigkeit) sollen auch für zukünftige Generationen erhalten und das Rote Höhenvieh als wichtige Genreserve für die Zukunft erhalten werden.

Wir sehen uns als Züchtergemeinschaft, die sich gegenseitig unterstützt und gemeinsame Ziele verfolgt.

Das Rote Höhenvieh um 1900

Karl Klein aus dem Kreis Biedenkopf verfasste 1914 seine Dissertation zum Thema „Entwicklung und Stammesaufbau der Vogelsberger Rinderrasse“.

Da es um die Jahrhundertwende kaum Aufzeichnungen über Abstammungen gab, ermittelte er Nachkommen von 10 „Urbullen“ wie sie Karl Klein bezeichnet. Besonders hervorgehoben werden die Bullen SPRUNG 77 geb.1894 und JUNO 28 geb.1895.
SPRUNG 77 hat viele männliche und weibliche Nachkommen mit sehr guten Zuchtleistungen. Von JUNO 28 stammt der in weiterer Literatur beschreibe HERKULES 801 ab. Dieser wurde um 1910 in den Kreis Biedenkopf verkauft und gilt als einer der Stammhalter der „Vogelsberger“ im Kreis Biedenkopf.

Erstaunlich sind auch die Berichte von Karl Klein das auch damals schon die Rasse einer Verdrängung durch andere Rassen wie z.B. Simmentaler ausgesetzt war.

Allerdings kamen viele Züchter erst später zu der Erkenntnis das schwere Simmertaler auf ihren Standorten völlig unbrauchbar waren und auf ganzer Linie versagten. Diese Rinder konnten wohl in günstigen Lagen bei guter Futtergrundlage wesentlich mehr Milch liefern als Vogelberger, aber auf den mageren, schlechten Böden im Vogelsberg und im Mittelgebirge, konnten sie diese Milchleistung nicht erreichen. Simmertaler benötigen mehr Futter lieferten aber höchstes die gleiche Menge an Milch, wie Vogelberger bei gleicher (schlechter) Futtergrundlage.

 

Rassemerkmale (Karl Klein – 1914)

  • ein mittelgroßes Rind mit kurzem Kopf
  • die Schleimhäute sind fleischfarben ohne Pigment
  • langer, dünner Schwanz mit weißer Schwanzquaste
  • schöner harmonischer Körper von einer roten, rotbraunen bis dunkelroten Farbe.
  • Schöne nach aufwärtsgebogene Hörner mit wachsgelber Farbe mit blauschwarzen Spitzen.
  • Kurze, aber gut gestellte Gliedmaßen.
  • stahlharte Klauen.
  • weiße Abzeichen sind fehlerhaft, jedoch können Euter und die hintere Bauchpartie hellerer Färbung sein, jedoch nur  verschwommen und allmählich in die Tiefe übergehen.
  • Tiere mit ausgesprochen hellerer Farbe werden nicht gerne gesehen, wenn sie zugleich die
    gewöhnlichen Körpermaße übertreffen, deuten diese auf Kreuzungstiere hin.
  • Das durchschnittliche Gewicht einer Kuh beträgt 7-9 Zentner (350kg-450kg), das Gewicht eines
    ausgewachsenen Bullen liegt bei 13-15 Zentnern (650kg-750kg).